Michael Horper, der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau und der Kreisvorsitzende des Verbandes in Ahrweiler, Franz-Josef Schäfer, stellten während der Generalversammlung des Kreisverbandes in Dernau fest, dass die Landwirtschaft und der Weinbau in der Region von den Ereignissen der vergangenen zwei Jahre stark in Mitleidenschaft gezogen worden sei.
Schäfer listetet die Folgen der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe und des Ukraine-Krieges für den Agrarsektor auf. Er sprach außerdem die unterschiedlichen Entwicklungen auf den Märkten an. So sei beispielsweise die Nachfrage nach regional vermarkteten landwirtschaftlichen Produkten während der Lockdown-Phasen enorm gestiegen. Das Flutgeschehen an der Ahr habe anschließend – seit Sommer 2021 – zu einer Absatzdelle bei der Direktvermarktung in der Region geführt. Hinzu seien die durch den Ukraine-Krieg gestiegenen Lebenshaltungskosten gekommen, die die Nachfrage nach preisgünstiger Ware erhöht habe.
Horper forderte, dass Lebensmittel in Deutschland nach modernen und vernünftigen Vorgaben und nach guter fachlicher Praxis produziert werden müssten. Tendenzen, günstigere und mit geringeren Vorgaben erzeugte Lebensmittel zu Lasten der heimischen Erzeugung zu importieren, erteilte der Präsident eine Absage. Er warnte vor Lebensmittelknappheiten in den kommenden Monaten: „Wenn zwei Tage lang die Kühlschränke leer bleiben würden, gäbe es auch in der Politik ein Umdenken“, war Horper überzeugt.
Bewegt waren beide Verbandsvertreter von der unglaublichen Hilfsbereitschaft, die das Ahrtal seit der Flutkatastrophe erlebt. Auch der Bauernverband habe als Organisation erhebliches geschafft, um die Situation der Menschen und insbesondere der betroffenen Weinbau- und Landwirtschaftsfamilien zu verbessern. „Die Funktionäre haben funktioniert“, fasste Horper das Geleistete zusammen. Insgesamt seien bisher rund 4,5 Millionen Euro an Spenden über den Berufsstand an betroffene Betriebe geflossen. Das hohe Engagement der Landfrauen- und Landjugendverbände vor Ort im Tal wurde ebenfalls an dieser Stelle hervorgehoben.
Hubert Pauly, Weinbaupräsident des Gebietes an der Ahr, zeigte sich überwältigt von der Unterstützung unzähliger Helfer und Spender. Für die Betroffenen sei dieses Engagement sehr motivierend beim Wiederaufbau, welcher noch lange nicht abgeschlossen sei. Nur mit dieser insgesamt großen externen Hilfe habe den Winzern überhaupt erst eine erfolgreiche Lese der Weinjahrgänge 2021 und 2022 gelingen können. Die zu Ende gehende Weinernte 2022 bezeichnete Pauly als „super“. Erste Schätzungen gingen von rund 4,3 Millionen Liter Wein für den Jahrgang 2022 an der Ahr aus, was über dem langjährigen Mittel liege. Auch die Mostgewichte seien aufgrund des trockenen Witterungsverlaufs des zurückliegenden Sommers erfreulich gut.
Journalist und Kolumnist Jan Fleischhauer (Focus-Magazin) zeigte sich beeindruckt von den Leistungen des Wiederaufbaus. Allgemein hätten Krisen nicht nur schlechte Seiten, sie würden auch dazu beitragen, dass Werte und Tugenden wieder „en vogue“ seien. In Deutschland werde grundsätzlich viel geklagt, so Fleischhauer. Er würde den Klagenden raten, das Ahrtal zu besuchen, um sich ein Bild über die Tatkraft der Bevölkerung zu machen, die ihre Heimat von der Zerstörung befreiten. Der Landwirtschaft sagte Fleischhauer voraus, dass diese in den kommenden Wintermonaten an Bedeutung und Wertschätzung in der Bevölkerung gewinnen werde. Dies sei die Folge einer von Knappheiten geprägten Versorgungssituation. Angesprochen auf die Beschreibung der Thematik Landwirtschaft in der Medienwelt und Möglichkeiten, sich gegen Falschberichterstattungen und -behauptungen zu wehren, empfahl der Medienprofi den Veranstaltungsteilnehmern, aus ihren Organisationen Vertreter in Diskussionsrunden oder Talkshows zu entsenden, die positiv und sympathisch beim Publikum ankommen und den Kritikern der Landwirtschaft argumentativ und schlagfertig entgegentreten könnten.
„Der Weg ist noch lange“, stellte Landrätin Cornelia Weigand fest. Sie dankte den Bauern, die den Menschen im Ahrtal nicht nur geholfen, sondern ihnen Mut gemacht hätten. Sie dankte dem BWV für die konstruktive Zusammenarbeit im Krisenfall. Viele Herausforderungen seien nur gemeinsam lösbar gewesen.