Strahlender Sonnenschein und die Aussicht auf strauchfrische Erdbeeren lockten am 13. Mai 2019 rund zehn heimische Politiker nach Grafschaft-Eckendorf. Dort lud der Kreisbauern- und Winzerverband Ahrweiler die Vertreter aus dem Land- und Kreistag und der lokalen Politik zu einem „Agrarpolitischen Gespräch“ auf den Betrieb seines Kreisvorsitzenden Franz-Josef Schäfer. Gekommen waren Parteiverantwortliche verschiedenster Couleur, um auf der Zielgeraden zur rheinland-pfälzischen Kommunalwahl sowie zur Europawahl zu den aktuellen agrarpolitischen Themen Farbe zu bekennen. So waren unter anderem der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Ahrweiler Horst Gies, der ehemalige Landtagsabgeordnete und jetzige Fraktionsvorsitzende im Kreistag Ahrweiler Wolfgang Schlagwein (Bündnis 90/Die Grünen), der FDP-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Ulrich van Bebber und das Kreistagsmitglied Jens Schäfer (SPD) vor Ort. Gemeinsam mit Bauern und Winzern aus der Region diskutierten die anwesenden Politiker schwerpunktmäßig über die geplanten Verschärfungen bei der nationalen Düngeverordnung, die abnehmende Verfügbarkeit der für den Sonderkulturbereich so wichtigen ausländischen Saisonarbeitskräfte sowie die Zukunft des Kompetenzzentrums Gartenbau (KoGa) in Klein-Altendorf. Weitere Themen waren zudem der Flächenverlust durch die zunehmende Bebauung in der Verbandsgemeinde Grafschaft, die Perspektiven für die nur noch wenigen Viehhalter im Kreis Ahrweiler und der mögliche Ausbau von erneuerbaren Energien in der ländlichen Region.
Zu Beginn der Veranstaltung stellten der Kreisvorsitzende Franz-Josef Schäfer und sein Sohn Maximilian die Entwicklung des Familienbetriebes vor. Aus einem klassischen Gemischtbetrieb mit Ackerbau und Viehhaltung entstand in den vergangenen Jahren ein spezialisierter Betrieb von rund 100 Hektar bewirtschafteter Fläche mit der Produktion von Erdbeeren als Hauptstandbein sowie einer Getreide-Zuckerrübenfruchtfolge im Ackerbau. Als sich herausstellte, dass der Betrieb mit Maximilian Schäfer auch in der nächsten Generation fortbestehen wird, entschied sich die Familie, den Sonderkulturbereich zu intensivieren. „Aufgrund der expansiven Bebauung von Flächen mit Gewerbe- und Wohnimmobilien bietet die Verbandsgemeinde Grafschaft kaum noch die Möglichkeit eines Betriebswachstums über die alleinige Ausdehnung der Anbaufläche“, so der Kreisvorsitzende zum allgemeinen Trend der Betriebe vor Ort, ihre Zukunft vermehrt über den Anbau von Sonderkulturen zu sichern. Aber auch der Freilanderdbeerenanbau lasse sich fruchtfolgebedingt innerbetrieblich nicht problemlos erweitern, so Franz-Josef Schäfer. Der Betrieb Schäfer investierte deshalb in ein Produktionsverfahren, dass die Erdbeerkulturen vor Extremwettern weitestgehend schützt und furchtfolgefrei funktioniert: der Anbau in Folientunneln mit Stellagen, bei denen die Erdbeeren auf Hüfthöhe in Pflanzbehältnissen, die ein Kokossubstrat enthalten, gedeihen. Die Bewässerung findet dabei ressourcenschonend computergesteuert und vollautomatisch statt, wie anschaulich demonstriert wurde. Das System binde jedoch hohe Investitionskosten und erfordere ein ausgefeiltes Management, so der Betriebsleiter.
Der Obstbau in der Region wurde nicht nur ausgeweitet, er habe sich auch stetig weiter professionalisiert, erläuterte Schäfer. Das nötige Know-How bezögen die Obstbauern in der Grafschaft – und darüber hinaus auch deren Kollegen aus dem übrigen nördlichen Rheinland-Pfalz – unter anderem über das benachbarte Kompetenzzentrum Gartenbau (KoGa) in Klein-Altendorf. Umso unverständlicher sei es für die Betriebe, dass dessen Fortbestand aktuell immer noch am seidenen Faden hängt. Der Landtagsabgeordnete Horst Gies (CDU) zeigte sich ebenfalls verwundert darüber, wie vehement ablehnend die Haltung des Wirtschaftsministeriums in Mainz sei, wenn es um eine weitere Finanzierung und damit Standortsicherung gehe. Er appellierte an die anwesenden Vertreter der FDP-Fraktion im Kreis Ahrweiler, sich für die Obstbauern in der Region stark zu machen und den FDP-Landesparteivorsitzenden, Wirtschaftsminister Dr. Volker Wissing diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrich van Bebber sagte ohne Vorbehalt seine Unterstützung in dieser Sache ebenso zu, wie die anwesenden regionalen Vertreter der beiden anderen, in der Landesregierung vertretenen Parteien Jens Schäfer (SPD) und Wolfgang Schlagwein (Bündnis 90/Die Grünen). Bei den Parteivertretern kam spontan der Wunsch auf, sich zukünftig zu solchen weichenstellenden Themen auf Kreistagsebene wesentlich frühzeitiger abzustimmen. Überhaupt zeigten sich die heimischen Politiker bei dem „Agrarpolitischen Gespräch“ weitgehend konsenswillig und parteiübergreifend daran interessiert, die heimische Landwirtschaft in ihrem Fortbestand zu unterstützen und den Charakter von familiengeführten Betrieben in der Region aufrecht zu erhalten. Echte Fronten wurden von den Volksvertretern nicht aufgebaut, so dass man im Zusammenhang mit der Veranstaltung eher von einem „Wahlkämpfchen“ statt von einem echten Wahlkampf sprechen konnte.
Dies galt auch für das sensible Thema der verschärften Anforderungen durch die Düngeverordnung bezüglich der Nitratbelastung in den sogenannten „roten Grundwasserkörpern“. Der Kreisvorsitzende Franz-Josef Schäfer wies darauf hin, dass der Kreis Ahrweiler generell weitestgehend unbedenkliche Nitratwerte im Grundwasser vorweise. Allerdings seien Teile der Verbandsgemeinde Grafschaft durch über dem Nitratgrenzwert liegende Messstellenergebnisse im benachbarten Meckenheim als rotes Gebiet ausgewiesen worden. Bauern, Winzer und Politiker waren sich einig darüber, dass das momentan in Gesamtdeutschland existierende Messstellennetz nicht repräsentativ genug und viel zu weitmaschig sei.
Die Fülle der Themen, bei denen dringend politischer Handlungsbedarf im Sinne der Landwirtschaft besteht, konnte im Rahmen der Diskussionsrunde erwartungsgemäß nicht vertiefend genug besprochen werden. Der Redebedarf war von allen Seiten dennoch hoch: in Kleingruppen wurde nach dem offiziellen Ende der Betriebsführung und Diskussion beim gemeinsamen Mittagsimbiss noch eine ganze Weile zwischen Bauern, Winzern und Politikern munter weiter debattiert.